Ekaterina Shapiro-Obermair

,us and them‘

18. 05. ‒ 08. 06. 2012


Rahmenprogramm:
« Yoon Suk Jung ,The Home of Stars‘ (24.05)
« Hermann Gabler ,Titel: Wolfgang‘ (31.05)
« Nastya Ryabova ,The False Calculations Presidium‘ (07.06)



    Wie bei einem komplexen Puzzle fügt Ekaterina Shapiro-Obermair in ihrer Ausstellung ,us and them‘ verschiedene, teils konträre, modulare Elemente ihrer Arbeit zu einem streng austarierten Ganzen zusammen. Unterschiedliche kulturelle Phänomene, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben, aber dennoch Parallelen aufweisen, wie etwa der amerikanische Minimalismus und die etwa zeitgleich entstandenen sowjetischen Gedenkstätten, werden dabei zueinander in Bezug gesetzt. Ihr Interesse dient einer Bild- und Formenproduktion auf dem Terrain der bildenden Kunst, doch das, was alles unter dem Kunstbegriff aufgefasst werden kann, hängt primär vom kulturellen Kontext ab. Die Analyse des teils biografisch bedingten kulturellen Umfeldes und der Abgrenzung vom Anderen als identifikationsstiftender Parameter ist genauso Teil ihrer künstlerischen Auseinandersetzung, wie Reflexionen über Qualitäten der Malerei, die den Begrifflichkeiten des geopolitischen Raumes gegenüberstehen.



      Ausstellungsansichten ,us and them‘ (Lichtröhren – rot gouachiert)
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      Als uns kürzlich ein Freund aus Deutschland besuchte, erzähle er folgende Geschichte, die er wiederum von seiner Tante gehört hatte. Die Geschichte ist recht einfach: Als „die Russen“ kamen, haben sie begonnen, Kartoffel in der Kloschüssel zu waschen, da sie wohl nie vorher eine gesehen hatten und nicht wussten, wozu genaue diese gut sein sollte. Sie ärgerten sich schrecklich, als sie versehentlich die Kartoffeln herunterspülten. Wir machten Witze darüber, ob die Geschichte tatsächlich so stimmt und ob die Russen die Kartoffeln nicht vorher gegessen hätten und nur auf die Frage der Tante, wohin denn ihre Vorräte verschwunden sind, auf die Kloschüssel deuteten.
      Am nächsten Tag bin ich zu einem Vortrag über Kunst im öffentlichen Raum gegangen. Ich habe mich dort an diese Geschichte erinnern müssen und zwar genau in ihrer Doppeldeutigkeit. In beiden Versionen gingen die Kartoffeln als braune formlose Klumpen im Wasser unter. Das heißt, dass nur der Ort die Kartoffel zu Scheiße machte und nicht ihre Konsistenz. Kann es aber nicht sein, dass es sich mit der Kunst im öffentlichen Raum oft ähnlich verhält: Wird „das Geschenk an das Volk“ nicht automatisch zu einem Stückchen Scheiße, sobald es auf der Straße aufgestellt wird?
      Zur Zeit verfolge ich aufmerksam vor allem übers facebook die politische Situation in Russland und drücke mein politisches Engagement vorwiegend durch das Drücken auf „Like“, oder wenn mir etwas noch besser gefällt, auf „Share“ aus. Eine besondere Faszination löst in mir der künstlerisch-politische Aktivismus aus, der nicht nur in Moskau, sondern auch in den anderen Städten in den letzten Jahren aufgekommen ist. Er hat Kraft, Dynamik, Humor, ist mit einem echten Risiko verbunden und scheint am adäquatesten auf die Situation zu reagieren. Doch das, was in Russland eine Basis, Notwendigkeit und wirkliche Aktualität hat, würde in Europa nur affirmativ und institutionell wirken.
      Vor ca. fünf Jahren während einer der Kunstreisen nach Moskau, die ich als Studentin organisiert habe, hörte ich von zwei unterschiedlichen Personen folgenden Gedanken, der für mich damals neu und überraschend war, der aber anscheinend zu diesem Zeitpunkt von vielen besprochen wurde. Der Gedanke besteht darin, dass es in der Sowjetunion amoralisch war, kein Doppelleben zu führen. Am offiziellen Leben nahm selbstverständlich jeder teil, aber nur die Konformisten führten kein anderes Leben im privaten Kreis. Menschen, die auf Basis der marxistischen Dialektik ausgebildet worden waren, konnten wunderbar mit diesem scheinbaren Widerspruch umgehen.
      Unser erster großer Streit war wegen der Tassen. Ich habe sie im Karstadt gekauft, weil sie im Angebot waren, von der Firma Rosenthal stammten und weil meine Mutter immer solche Tassen „für die Küche“ kaufte. Als ich sie nach Hause brachte, hieß es, sie seien voll hässlich. Aus meiner jetzigen Perspektive würde ich die Tassen auch als sehr hässlich und geschmacklos empfinden: Sie hatten in der unteren Hälfte ein oranges Karomuster und darüber eine Reihe Kamillenblüten. Die Form war auch nicht besonders elegant. Die Bemerkung verletzte mich aber zutiefst und lies mich stark an den eigenen ästhetischen Vorstellungen zweifeln. Inzwischen sind sie alle kaputt, die Krise überwunden und ich folge bei der Wahl der Gegenstände, die ich benutze, anderen Konventionen.







      Gouache auf Holz, 81×81cm, 2012
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      Gouache auf Papier, 50×35cm, 2012
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    1.-3.) Ausstellungs- /Installationsansichten ,us and them‘ (Lichtröhren – rot gouachiert)
    4.) ,Russian Style Building‘, Lichtkasten, 40×60 cm, 2012 5.) Installationsansicht









      Gouache auf Papier, 70×50 cm, 2012
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    Ekaterina Shapiro-Obermair
    (*1980 in Moskau).
    2006–2009 Akademie der Bildenden Künste Wien (Diplom bei Manfred Pernice)
    2004–2006 Universität für angewandte Kunst Wien
    1999–2004 Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
    Ausstellungen (Auswahl): Burning with Passion, Gyeonggi Creation Center, Gyeonggi-do / Südkorea, 2012; NeoSI: neue Situationistische Inter…nationale, Kunstverein Schattendorf, Schattendorf, 2011; Die Fotografie in Referenz…, Fotohof, Salzburg, 2011; Salon Systémique (solo), Startgalerie im MUSA – Museum auf Abruf, Wien, 2010; Where do we go from here?, Secession, Wien, 2010.
    Seit 2004 lebt und arbeitet in Wien.

«www.ekaterina-shapiro.glazprom.org
«Archiv 2012



    ,Practice in Red‘, 2012