- Josip Novosel installiert acht neue und speziell für diese Ausstellung
produzierte Arbeiten im großen Raum des Ve.Sch, lässt
zugleich den kleinen Ausstellungsraum leer. Alle Arbeiten sind
aus denselben Überlegungen entwickelt, sind Teil derselben
Werkgruppe, und können in ihrer Zusammenstellung im Raum
durchaus auch als eine einzige Arbeit gelesen werden. Novosel
bedient sich in der Ausstellung verschiedenster Medien, Materialien
und Stile, und so lässt er bewusst den Eindruck entstehen,
es würde sich um die Arbeiten verschiedener Künstler handeln.
Wir sehen gefundene, bearbeitete Objekte, eine Leinwand, eine
Fotografie-Assemblage, unaufgeregt verteilt, an der Wand hängend
und im Raum stehend. Die benutzten Formensprachen
reichen von zurückhaltend und minimalistisch bis trashig und
verspielt, und mitunter erinnern bestimmte Arbeiten bewusst
an die etablierten Stile von etablierten KünstlerInnen. Die an
der Wand hängende Leinwand zitiert Michael Krebber, die am
Boden stehende Banane aus Papiermache Franz West. Doch es
gibt eine sowohl inhaltlich wie auch formal fungierende Klammer,
die im Ausstellungsraum ungewöhnlich viel Präsenz beansprucht:
es sind auf Papier ausgedruckte Texte, genauer Beschriftungen
oder Erläuterungen, und mit einer einzigen Ausnahme
gehört zu jeder ausgestellten Arbeit eines dieser Textblätter im
A4 Format, die einheitlich auf rohen, gehobelten Holzbrettern
montiert sind. An die Wand gelehnt und in räumlicher Nähe zu
den dazugehörigen Arbeiten, erinnern sie ganz selbstverständlich
an Werkbeschreibungen, wie sie in jedem Museum, in beinahe
jedem Ausstellungsraum zu finden sind. Es scheint zunächst
nicht ganz klar, ob es sich bei den eigenwilligen Texttafeln um
Teile der ausgestellten Arbeiten handelt oder nicht. In erster
Linie ist es der Kontext des nichtkommerziellen, von Künstler-
Innen programmierten Ausstellungsraums Ve.Sch, der nahe legt,
dass es sich wohl eher nicht um die in Institutionen üblichen,
von KuratorInnen verfassten, die Arbeiten erläuternden Texte
handelt. Natürlich sind es nicht zuletzt die von Josip Novosel
stammenden Texte selbst, genauer deren formale und inhaltliche
Eigenheiten, die beim Lesen schnell klären, dass es keine professionellen
Texte sind. In einer wilden Mischung aus vorwiegend
schlechtem Englisch und eingestreutem Deutsch, Grammatik
und Rechtschreibung großzügig umgehend, erzählen sie kurze
Geschichten, geben Gedankengänge Novosels wieder, allerdings
oftmals ungeduldig und sprunghaft assoziierend. Sie
umschreiben das Konzept, das den Arbeiten zugrunde liegt,
ohne es eindeutig zu klären. Das Konzept sind bei Novosel wie
bei jedem Konzept Worte, tatsächlich eher einzelne Wörter, die
den Ausgangspunkt für die Formfindung bilden. Die gewählten
Wörter werden in einer Art von bildnerischer Pantomime
in Bilder oder Objekte übersetzt: Die Lösung der gesuchten
Übertragungen findet Novosel in verglichen mit den Ausgangsworten
gleich oder ähnlich lautenden Bezeichnungen für die
von ihm gefundenen Bilder bzw. Objekte. Was sich schriftlich
korrekt nur ungelenk und schwer verständlich beschreiben lässt,
ist eigentlich ein Spiel, in dem konventionelle Wort-Objekt
Beziehungen neu gesetzt werden. So übersetzt Novosel beispielsweise
das englische Wort Dash, in diesem Fall die Kurzform des
männlichen Vornamens Dashiell, in Form eines am Boden des
Ausstellungsraums platzierten, gefundenen Armarturenbretts,
auf Englisch Dashboard. Weiters übersetzt er das englische Wort
Snow, zu Deutsch Schnee, in auf das Armaturenbrett mittels
Schablonen aufgesprühte, stilisierte Schneeflocken. Wozu? Das
Wort Dash ergibt gemeinsam mit dem Wort Snow im Zusammenhang
der Kunstwelt Sinn: es ist der Name eines
amerikanischen Künstlers, Dash Snow. Warum Novosel gerade
seinen Namen wählt, so wie er für alle im Ve.Sch gezeigten
Arbeiten Namen von Künstlern und Künstlerinnen aus Ausgangsmaterial
wählt, sei dahingestellt. Persönliche Vorliebe,
Respekt für die Arbeit oder vielleicht das Gegenteil, Status der
genannten Personen im Kunstbetrieb, das alles spielt eine Rolle.
Viel wichtiger ist jedoch die Funktion der Künstler-namen als
Platzhalter für eine im Kunstbetrieb verständliche und verstandene
Information, eine Wissenseinheit, bestehend aus zwei
Worten, Vor- und Nachname, bei deren Nennung bestehende
Assoziationen und Erinnerungen aktiviert werden, die in einem
bestimmten Kontext als allgemein bekannt be-griffen werden
können; sinnvolle Information also. Der Künstler wählt bekanntes,
sprachliches Material, auf das er durch seine neuen
Arbeiten Bezug nimmt. Damit behandelt Josip Novosel in einer
spielerischen Geste, ohne den Anschein von Anstrengung ein
gewichtiges Problem, zumal eher ein Problem der Kunstproduzierenden.
Es lässt sich beispielsweise durch die Fragestellung
„Wie komme ich zur Form?“ bzw. „zu einer eigenständigen
Form“, weiters durch „Wie kann ich auf Bekanntes Bezug nehmen
und zugleich Neues schaffen?“ erhellend auf den Punkt
bringen. Es sind also nichts weniger als mit die grundsätzlichsten
Fragen ästhetischer, künstlerischer Produktion, aufgeworfen
und behandelt durch ein Sprachspiel. Novosel gelingt darüber
hinaus die Freilegung dessen, was ich als Grundstruktur von
Konzeptkunst bezeichnen möchte: Die Zurückführung
ästhetischer Inhalte auf Sprache, oder genauer auf Worte. Die
Produktionsmethode von Konzeptkunst sieht vor, dass ich die
materielle Form eines Kunstwerks, also seine an bestimmte Materialien
gebundene Ausführung, durch Sprache bereits vor der
Herstellung des Werks möglichst vollständig beschreiben kann.
Genau diese gedankliche Bewegung findet sich bei den Arbeiten
von Josip Novosel für die Ausstellung im Ve.Sch wieder: Der
Ausgangspunkt der zuvor beschriebenen Arbeit ist die Wortfolge
Dash Snow, ihre materielle Ausführung ein weiß besprühtes
Dashboard mit Schneeflockenlogos. Das Wortmaterial bestimmt
also das physische Material. Eine bemerkenswerte historische
Analogie zu jener ästhetischen Denkfigur findet sich in den in
der Heraldik als „redend“ be-zeichneten Wappen: so sehen wir
beispielsweise im Stadtwappen von München einen Mönch,
im Wappen der Stadt Berlin einen Bären, und die Stadt Lyon
führt einen Löwen im Wappen; es gibt eine Vielzahl derartiger
Beispiele von Wappen, in denen sich Sprache und Bild sinnhaft
überlagern, historisch wird sich mal Ersteres aus Zweiterem, mal
wird es sich umgekehrt ergeben haben. Diese zwei Methoden,
zuerst die Form, dann das Wort versus zuerst das Wort, dann die
Form scheinen sich ja mitunter unversöhnlich gegenüberzustehen,
und in vermutlich jedem Atelier hat sich das verbissen-zweifelnde
Abwägen dieser beiden Denkwelten abgespielt. Novosel
entwickelt in seiner Installation eine bemerkenswerte Lösung für
diese Problematik, bewusst unschuldig und naiv, hölzern ungelenk,
jedenfalls nicht anmaßend eloquent oder gleich die gesamte
Kunstgeschichte als Zeugin aufrufend. Alle sind eingeladen
mitzuraten, welcher Name sich denn nun hinter dieser einen
Arbeit da links verbirgt. Bleibt noch abzuwägen, wie wichtig
dieses Wissen, also die „Auflösung“ für das Verständnis der
Arbeiten ist. Die Präsenz der Texte im Ausstellungsraum halte
ich in eben jener gezeigten, sich viel Raum nehmenden Form
für essenziell. Es sind eben diese gleich gestalteten Texttafeln, die
aus den Arbeiten Arbeiten unter Anführungszeichen machen:
sich viel Raum nehmenden Form für essenziell. Es sind eben
diese gleich gestalteten Texttafeln, die aus den Arbeiten Arbeiten
unter Anführungszeichen machen: Kunstwerke, die zugleich
wie Platzhalter für Kunstwerke verstanden werden können. Die
Erläuterungen im Ausstellungsraum aktivieren auf Kunst und
Ausstellungen bezogene Seh- und Rezeptionsgewohnheiten, und
da wo erläuternde Texte sind, muss auch Kunst sein. So ist es
möglich, sich auf sehr angenehme Art vom Gezeigten zu distanzieren,
es als Vorschlag oder als eine vielleicht zufällige Variante
zu begreifen. Kunstproduzenten mögen das; Keine definitive
Form oder die eine perfekte Lösung, sondern eine Arbeit, aus
der ich gedanklich gleich zehn machen kann, das fühlt sich
ökonomisch und zugleich produktiv an. (F.Z.)