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- Mit Matthias Kaisers Ausstellung ,Incomplete
Circle‘ wird zum ersten Mal eine Position der
angewandten Kunst in den beiden Ausstellungsräumen
des Ve.Sch präsentiert. Dass dieser Ausstellungsraum
einen Ort für eine Aus-einandersetzung
mit der Ästhetik von Gebrauchsobjekten
bietet, deutet sich indes bereits mit der minutiös
designten Bar und dem subtilen Beleuchtungssystem
an, die die Ästhetik des Ausstellungsraumes
entscheidend durch ihre unaufdringliche Detailhaftigkeit
bestimmen.Durch eine ähnliche Wertökonomie zeichnen sich
Matthias Kaisers Keramikobjekte aus: Das „Auffällige“
liegt im Detail.
Die im grossen Raum situierte Installation besteht
aus Gebrauchsgegenständen wie Tellern, Schalen, Bechern,
etc. Durch deren Positionierung auf dem überdimensionalen
Sockel wird unser Blick von der Funktionalität der
Porzellanobjekte hin zu deren formalen Eigenschaften
gelenkt. Matthias Kaisers Formensprache
oszilliert dabei zwischen traditionellem
japanischem Handwerk und einem europäischen
Vokabular der Moderne (wie zum Beispiel jenem
des Bauhaus). Im Einklang mit der japanischen
Ästhetik und anders als in den Produktionsprozessen
der Industrie, geht es dem Keramiker
darum, die Eigenheiten der Materialien, wie sie
sich im Laufe ihres Verarbeitungsprozesses entfalten,
zuzulassen und als Resultat zu akzeptieren.
Die Spuren der Herstellung, wie sie sich in der
entgültigen Form der Objekte manifestieren,
erzählen ihre eigene Geschichte. Es ist eine
Geschichte, die nebst stilistischen Entscheidungen
von chemischen Reaktionen, Zufällen und
manchmal auch Fehlern handelt.
In der Rezeption der Objekte kommen einem
einige Assoziationen zu japanischer Ästhetik, die
unter anderem von ausgewogener Assymetrie
(wie ein unvollständiger Kreis), Understatement,
Subtilität und der Lossagung vom Konventionellen
bestimmt ist, in den Sinn. All diese Aspekte
materialisieren sich in jenen kleinen Details, die
Matthias Kaisers Ästhetik ausmachen, die sich
im Freud’schen Sinn durchaus als unheimlich
beschreiben lässt, indem die Objekte gleichzeitig
unvertraut und vertraut wirken.1
Vielleicht perpetuiert gerade dieses Unheimliche
die Spannung zwischen Nutzen und Nicht-
Nutzen, Nähe und Distanz, die von diesen
Gegenständen ausgeht, die sich nicht zuletzt auch
durch die mediale Selbstreflexivität der Objekte
am Leben hält.
Text: Isabella Ritter
Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die
Geisteswissenschaften V (1919), S. 297–324.
- Matthias Kaiser’s “Incomplete Circle” is the first
presentation in the exhibition space Ve.Sch of a
position on the applied arts. With its distinctive
bar and its subtly characteristic lighting,
the precise simplicity of the environment of
Ve.Sch provides a particularly rich ground for
a discussion of the aesthetics of functionality.
Matthias Kaiser’s ceramics are distinguished in
the same economy of value: there is meaning to
be found in the details.The installation occupying
the large gallery consists of plates, bowls, cups
and other such articles of familiar, daily use. The
out-sized pedestal upon which these are presented
has the effect of channeling our attention away
from their functionality, however, and onto
their formal properties. Kaiser’s formal language
oscillates between traditions of Japanese craft and
European Modernism (for example Bauhaus).
In harmony with the Japanese aesthetic, and
in marked contrast to the processes of modern
industrial production, those properties of the
material that manifest themselves in the process
of their manipulation, through irregularities and
chance distortions, are accepted as integral to
the finished product. These traces tell their own
story, a story of the stylistic resolutions of chemical
reactions, of chance, and sometimes even of
mistakes.The objects generate associations with
the principles of Japanese aesthetic philosophy:
balance in asymmetry (like an incomplete circle),
understatement, subtlety, and the rejection of
conventional perfection, among others. In the
smallest of details, these aspects of the work manifest
a Freudian sense of the uncanny, whereby
a thing appears at once familiar and ultimately
unknowable. Perhaps it is this sense of uncanniness
which perpetuates the tension between
use and uselessness, closeness and distance, that
not least of all emerges from the way in which
the work reflects upon the nature of its medium
itself.
Töpferlehren bei Fumitada Moriwaki, Seto und Takashi Nakazato, Karatsu.
Lebt und arbeitet in Grafendorf und Wien.